worte wählen und wieviele - im unmittelbaren unvorhersehenden
eine annäherung an die werke von Franziska Lauber, Bern
Ausstellung VON ZEICHEN : gepard14, Bern
willkommen geheissen werden wir von zeichnungen, neben sich anlehnenden filigranen objekten im eingang, der wie eine passage durch einen angrenzenden raum in einen arbeitsraum der künstlerin - der vergangenen wochen – führt.
die künstlerin (Franziska Lauber) hat sich durch den ihnen bekannten öffentlichen raum, sehend und hörend vor und zurück bewegt. über unsren köpfen leitungen, kabel, linien am horizont stossen wir unterwegs auf absperrungen, sehen schilder, hinweise die den öffentlichen raum ordnen und organisieren.
Sie hat ihn ins leben hinein gefangen – den oeffentlichen raum ins leben gezeichnet, das zwischen gedanken und räumen, wege und spuren in unserer wirklichkeit hinterlässt.
zum abschluss ihrer artist in residence hat sie hier an diesem ort der begegnung, eine visuelle sprache für ihre forschung der mensch-tier-beziehung und urbanen räumlichkeiten in einer neuen visuellen sprache, einer neuen fährte erfasst, der wir folgen können in unserer eigenen geschwindigkeit.
keine spur die schreit, welche FL gelegt hat, jedoch eine - welche uns die feinen nuancen des sich ständig verändernden dynamischen lebens nahebringt, wie uns ebenso auf die unspektakulären dinge des gewohnten aufmerksam werden lässt. den alltag vermengt sich mit erinnerung, eigener und fremder erfahrung.
wir treten ein, der blick weitet sich. die augen sind frei, frei sich zu bewegen. sie reihen bild an bild, wie in einem film. ecken, fenster, raumstrukturen die zuweilen den blick verstellen, ihn umlenken – lassen die zeichen wiederholt in andere dimensionen kippen - jede zeichnung ist ein neuland – ein indirektes bild der zeit
je nachdem wie nah oder wie entfernt wir uns bewegen justieren, verorten wir uns aufs neue über zeiten hinweg zu morgen ins gestern doch gar heute
zeit zusammengehalten durch präzise gesetzte, lesbar zeichen entsteht durch das vorher und nachher der bewegung. das zeit-bild befreit die bewegung aus ihrer abhängigkeit, doch die zeit hebt das bewegungs-bild nicht auf.
VON ZEICHEN entstand in der auseinandersetzung mit den diversen von menschenhand hervorgebrachten konstruktionen im quartier. durch festhalten der visuellen eindrücke in zeichnerischen momentaufnahmen in diesem erweiterten arbeitsraum der künstlerin.
da ist wiederholung, sie steht als übertragung für die kaum fassbare komplexität unseres hypermodernen schnellen lebensraumes. ein raum, den es immer wieder neu auszurichten gilt. so entstehen flüchtige situative urbane landschaften, es sind scheinbar einfache
momente die unserer gewohnte wahrnehmung des beiläufigen und erwarteten auf die probe stellen.
die zeichnungen spielen mit einer spannung von bekanntem und fremden, von hier wie da und dort. umso näher wir sie betrachten, umso mehr irritiert es unsere augen, die sich im bild nicht mehr wirklich zurechtfinden. die räumlichen bedingungen des quartiers sind nicht eindeutig, und verunsichern. was sehen wir?
unterliegt unsere erinnerung nicht einer nachbildung, dessen was uns im gedächtnis bleibt? ein nach-bild: eine anlehnung an das künstliche in der umgebung, die anklingt und sich als metapher in der achtsamkeit fordernden transparenten neonfarbe manifestiert. verweist die synthetisch hergestellt neonfarbe in ihrer eigenschaft und materialität als farbstoff doch einzig auf eine fläche innerhalb des bildes
das erkennen wirft falten - glättet sich hingeworfenen stabmuscheln morgens am rand des meeres - welches es hier nicht mehr gibt organische sedimente
VON ZEICHEN spannt fäden über den blattrand hinaus und was über das hinaus geht hat
kein anfang noch end manches blatt wirft schwebend fragen auf in den intervallen, den zwischenräume gleich einem rhythmus wie eine ferne musikpassagen einer chronik die anderswo zur vision wird
die strengen linien der zeichen sind zurück ins organische übersetzt. rückgängig bringt die neonfarbe die klaren linien wieder in die geformte umwelt. überhöht sie so vielleicht die künstlichkeit in unserer hypermodernen gesellschaft? als ein mögliches sinnbild für die komplexität, auch für den zeitlichen wandel, den wir seither beschritten haben ? vielleicht zugleich eine rückblende an damals, wie auch eine re-integration in den heutigen kontext?
blatt für blatt die zeichen - linien aus ihrem zusammenhang entnommen, stehen unabhängig. da wo wir uns tag für tag bewegen, treffen wir auf die konstruierte welt. hier im raum - da wo objekte, wesen, flora und fauna uns begegnen finden wir das organisch geformte. abgebildete natur - welche in Ihrem inneren gerüst überwiegend aus papiermaché, ummantelt mit porzellanweiss – wie ein echo zu den zeichen der bilder – besteht.
da geht es um schutz und gefahr - es geht darum, wie wir unsere umwelt gestalten -wie wir sie ausschliessen – sie einbeziehen – ja sie verändern. es geht um das was uns umgibt, "was wir menschen manipulieren". im urbanen raum – welcher sowohl privat wie auch öffentlich geworden ist. (einst beherbergte ein nebengebäude das landwirtschaftliche versuchslabor für tiere)
zu unseren füssen – die insekten, sie sind bereit, wissbegierig, still. aufmerksam und ebenso abwartend um das ruhende schlafende wesen. Sie sind in einem perfekt ausgemessenen kreis versammelt.
«nicht-menschliche tiere - zitat Franziska Lauber - formieren niemals einen perfekten kreis. so sind die insekten manipuliert - mit dem kreis und mit ihrer eigenen form. die spannung der kreislinie scheint sie gefangen zu halten, doch auch gemeinsam stark zu machen. den innerhalb des kreises sind sie in wiederkehrenden wellengleicher anordnung von gross nach klein nach gross angeordnet und balanciert. worauf warten sie?»
der hund hat seinen schlaf – im schutz des insektenkreises – vielleicht schützt er genauso die flügelwesen? über ihnen thront in seiner nacktheit ein ast – verbindet oben und unten – weist auf die tiere am boden - und über die aufgetragene markierung auf dem weissen ast
- gleitet unser blick nach aussen in den urbanen raum – und bemerkt vermutlich so bekanntes; leitungen, schilder, linien am horizont - resonanzen - VON ZEICHEN - im aussen
der immer wiederkehrende prozess des erkennens, beobachtens und hinterfragens – mit dem alltäglichen entlang den systemgrenzen, den rändern ist eine aufforderung der künstlerin an uns zur auseinandersetzung. ... führt die geschichte in ein bild und zurück in dessen Inhalt oder verführt uns allein das bild?
«Was das Wort ausspricht, ist auch das Unsichtbare, das das Sehen nur als seherisches sieht, und was das Sehen sieht, ist das Unsagbare, das das Wort ausspricht.» Gilles Deleuze1
VON ZEICHEN
eindrücklich, fragil, und mit zarter, manch messerscharfer linie... archaische momente - ausserhalb der zeit - dennoch präsent
worte wählen – und wie viele vorhersehbare unregelmässigkeit im aussen und innen
VON ZEICHEN in den elementen der humanen kultur des quartiers