"en passant" Bellevue – Basel, 2018
Gabriella Disler hat ein feines Gespür und eine ausgeprägte Wahrnehmungsfähigkeit für visuelle Eindrücke/Nuancen und Lichtstimmungen in verschiedenen Räumen. Sie hält diese visuellen Eindrücke mittels fotografischer Aufnahmen fest, sammelt sie und arbeitet mit Ihnen, - um uns dann ein einmaliges Seherlebnis zu ermöglichen. Keines das schreit, aber eines das uns den feinen Nuancen des sich ständig verändernden Lebens nahe bringt und uns auf die feinen Dinge des Lebens aufmerksam werden lässt. Gabriella arbeitet meistens mit den Medien Fotografie und Installation und stimmt sie auf die jeweiligen Räume ab. Oft stehen am Beginn fotografische Aufnahmen, manchmal entsteht ihre Kunst aber auch erst aus der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Räumen, wobei sie die visuellen Eindrücke in fotografischen Momentaufnahmen festhält, für ihre Raum-Installationen aus diesem Fundus schöpft, und sie mit zusätzlichen Bildern neu zusammenstellt.
In ihrer neuen Ausstellung 'en passant' hier im Bellevue zeigt sie uns drei besondere Arbeiten. Willkommen geheissen werden wir von mehreren Fotografen mit dichten grünen Parkanlagen, die wie eine Art Passage in den Raum führen. Das dichte Grün der mehrfach übereinander gelagerten Parkansichten - Sträucher, Bäume und Unterholz - zieht uns wie ein Korridor in den Raum. Sie spielen mit einer Spannung von Grüntönen, von Licht und Schatten und irritieren zugleich unseren Blick. Was ist da genau zu sehen?
Umso näher man sie betrachtet, umso mehr irritiert es unsere Augen, die sich im Dschungel der sogenannten „Urban oasis“ nicht mehr zurechtfinden. Die räumlichen Bedingungen sind nicht eindeutig, Wasserflächen spiegeln die dichte Vegetation und bringen den Himmel mit ins Bild. Man denkt an Urformen eines Waldes, an einen paradiesischen Zustand des Vegetativen. Nur der Titel „Urban oasis“ bringt Anklänge an eine städtische Umgebung zurück, eine Wohlfühloase mitten in der Stadt?
Für Gabriella Disler ganz speziell ist die installative Inszenierung der Werke auf dünnen Holzleisten - kombiniert mit Plexiglasscheiben dazwischen, die immer wieder die Frage nach dem Bild aufwerfen. Was ist ein Bild? Und wie verhält sich dieses Bild zu Zeit und Raum, zu heute?
Die spezielle räumliche Situation hier im Bellevue - mit der nachträglich in den quadratischen Gewerberaum eingezogenen Wand und den Oberlichtfenstern im Sheddach, hat Gabriella aber auch zu einer ortspezifschen Arbeit angeregt. Über Weihnachten/Neujahr hat sie das sich ständig verändernde Licht über mehrere Wochen beobachtet und mittels digitaler Fotoaufnahmen eingefangen und so versucht, dem Raum auf die Spur zu kommen.
Diese Aufnahmen sind jetzt im hinteren, grösseren Teil des Raums projiziert. Dabei hat sich Gabriella Disler mit den architektonischen Eigenheiten des Bellevue, mit dem Ganzen Raum aber auch kleinsten Details auseinandergesetzt, liess sich vom wechselnden Licht leiten, davon, was es mit Wänden, Böden, Raumkanten und -ecken macht, aber auch was nach Aussen hin zu sehen ist. Der Raum wird dabei zur Bühne des Lichts, ermöglicht neue irritierende Perspektiven, schafft aber auch eine Stimmung des Innehaltens, des sich Einlassens auf die feinen Nuancen.
Die so hervorgehobenen „Wirklichkeitsausschnitte prägen sich ein und schärfen unser Augenmerk für die Besonderheiten des Nebensächlichen.“ Wie es Gabrielle Obrist in ihrem Katalog zur Arbeit von Gabriella Disler so treffend beschreibt.
Manche Aufnahmen hat Gabriella gedreht, so dass aus Wänden Böden, aus Oberlichtern Fenstertüren werden. Manchmal erkennt man auch die Äste der Bäume draussen.
Die dritte Arbeit zeigt eine Art Laborsituation, in der Gabriella mittels eines Beamers Licht auf eine ältere analoge und von ihr damals handabgezogene Fotografie projiziert. Das Licht fächert sich in die Spektralfarben, die nun goldrot auf der schwarz-weissen Fotografe ruhen. Ein mögliches Sinnbild für die Komplexität, aber auch den zeitlichen Wandel, den die fotografischen Möglichkeiten seither beschritten haben. Und zugleich eine Erinnerung an damals, und eine Re-Integration in den heutigen Kontext.
2018, Janine Schmutz, Kunsthistorikerin/Kuratorin Basel